Wissenschaftlicher Newsticker Februar 2018

02.02.2018 -  

Ganzheitlicher Migrationsansatz zu Cyber-physischen Produktionssystemen

März 2018 Die industrielle Wettbewerbsfähigkeit bedeutet heutzutage kürzere Produktlebenszyklen, größere Produktvielfalt sowie kürzere Time-to-Market. Um diesen Herausforderungen zu begegnen, ist die Fertigungsindustrie gezwungen intelligente Fertigungssteuerungssysteme zu entwickeln, die sich dynamisch an die sich ändernde Produktionsumgebung anpassen und flexibel an unterschiedliche Fertigungsaufgaben angepasst werden können. Mit dem Fortschreiten von Industrie 4.0 werden Digitalisierung und Robotisierung die Flexibilität und Rekonfigurierbarkeit von Produktionssystemen erhöhen, um schneller auf veränderte Marktanforderungen und Kundenanforderungen reagieren zu können. Aus diesem Grund wurden in den letzten Jahrzehnten fortschrittliche Automatisierungslösungen entwickelt, wie zum Beispiel Multi-Agenten-Systeme, Service-orientierte Architekturen, Cloud Computing und Cyber-physische Systeme, mit dessen Hilfe die Dezentralisierung und Virtualisierung der Automatisierungspyramide zur Realisierung der „Smart Factory“ ermöglicht wird. Obwohl die Automatisierung in der Fertigungsindustrie aktuell deutlich im Wandel ist, haben nur wenige Branchen innovative Automatisierungslösungen in ihre Produktionsumgebung integriert. Die Gründe dafür sind vielfältig, jedoch ist eine der wichtigsten Herausforderungen das Fehlen eines klar definierten und nahtlosen Migrationspfades zur Distribution und Virtualisierung der Automatisierungspyramide.

Um die Hersteller bei der Migration zu den Cyber-physischen Produktionssystemen, im Sinne des Industrie-4.0-Paradigmas, zu unterstützen, wurde am IAF ein ganzheitlicher Ansatz entwickelt, welcher ihnen einen schrittweisen Prozess und Methoden zur Umsetzung dieser Schritte zur Verfügung stellt. Der Ansatz basiert auf den bestehenden Migrationsstrategien und Engineering-Prozessen aus anderen Bereichen, die im Rahmen des europäischen Forschungsprojektes PERFoRM überarbeitet und auf die realen Fertigungsbranchen übertragen wurden.

Eine reibungslose Migration von bestehenden Produktionssystemen zu Cyber-physischen Produktionssystemen ist ein kritischer Faktor für den Erfolg der vierten industriellen Revolution, da die Implementierung nicht bekannter Automatisierungslösungen mit einem Risiko verbunden ist. Um diese Unsicherheiten bewältigen zu können, definiert der vorgeschlagene Prozess eine Reihe von Migrationsschritten, um die langfristige Vision des Industrieunternehmens zu realisieren, wobei ein iterativer und inkrementeller Ansatz verfolgt wird. Im Kontext von Industrie 4.0 stellt die langfristige Vision das Verwirklichen des Ziels der „Smart Factory“ dar. Um mögliche Risiken und Hindernisse aufgrund der Unsicherheiten aus dem Markt- und Technologiebereich zu minimieren, wird der Migrationspfad (Bild 1) zur langfristigen Vision in kurzfristige Zwischenziele zerlegt, die jeweils einzeln zu erreichen sind. Der entwickelte 5-Phasen-Prozess unterstützt die schrittweise und kontinuierliche Migration zu einem flexibleren, intelligenteren und innovativeren System, indem er den Weg zur langfristigen Vision in einzelne Migrationslösungsschritte bricht, die innerhalb der fünf Phasen des Prozesses identifiziert, entworfen und ausgeführt werden.

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Bild 1: Definition des Migrationspfades

Der im Bild 2 dargestellte Migrationsprozess beginnt mit der Vorbereitungsphase, in der das bestehende Produktionssystem analysiert und die langfristige Vision der Migration definiert wird. Die zweite Phase ist die Optionenuntersuchung, in der verschiedene Migrationslösungen gesammelt und evaluiert werden, um die optimalen Migrationsschritte zur langfristigen Vision zu identifizieren. Die gewählte Lösungsvariante wird in der Designphase detailliert und getestet und in der Implementierungsphase umgesetzt und verifiziert. Die letzte Phase stellt die Transformation der aktuellen Produktionsumgebung mit dem Bereitstellen der neuen Lösungssysteme dar.

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Bild 2: 5phasige Migrationsprozess

Die Phasen des Migrationsprozesses werden durch die interdisziplinäre Methodik des Model-Based Systems Engineering (MBSE) unterstützt, die aufgrund ihrer Fähigkeit, komplexe Systeme ganzheitlich abzubilden, ausgewählt wurde. Damit kann das aktuelle und das geplante Produktionssystem, welches auf Cyber-physischen Systemen während der Entwurfsphase basiert, abgebildet und die verschiedenen Migrationsalternativen, die vor allem in der Phase der Optionenuntersuchung (Beispiel im Bild 3) relevant sind, durch spezifische Werkzeuge und Sprachen leicht in einer eindeutigen und semigrafischen Form dokumentiert werden. Insbesondere wird die Systems Modeling Language (SysML) verwendet, um zu zeigen, wie sich die Bedingungen des Produktionssystems mit der Einführung neuer Technologien ändern und zwar in Form neuer Schnittstellen zu den Altsystemen und neuer Aufgaben, die von den Bedienern und Ingenieuren, die sich mit der neuen Konfiguration befassen, zu bewältigen sind. Darüber hinaus unterstützt das MBSE auch die Trade-off-Analyse von Migrationslösungen, die aufzeigt, wie sich die Hauptziele und die wichtigsten Leistungsindikatoren der Branche je nach den Möglichkeiten und Einschränkungen der verschiedenen Lösungen unterscheiden.

 

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Bild 3: Beispiel für die Evaluierung von Migrationslösungsoptionen

Links:

https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-319-56345-9_8

http://ieeexplore.ieee.org/abstract/document/8088287/?reload=true

Kontakt: Ambra Calà M.Sc., apl. Prof. Dr.-Ing. habil. Arndt Lüder

 

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