Wissenschaftlicher Newsticker Juni 2022

Wie weiter mit der Automation?

Die Industrie 4.0 soll in Zukunft die deutsche und europäische Industrie wettbewerbsfähiger und damit erfolgreicher machen. Wie das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) feststellt, könnten hier umfassende Potenziale durch die zunehmende Vernetzung und Digitalisierung von Produktionssystemen und Wertschöpfungsketten gehoben werden. Alle Beteiligten sind sich einig, dass sich damit die Welt der Automatisierung sowohl mit Blick auf die verwendeten Technologien und Architekturen als auch mit Blick auf die Entwicklungs- und Nutzungsprozesse ändern muss.

Aber wie? Diese Frage ist offen. Viel schlimmer, derzeit versuchen alle Beteiligten ihre eigenen Antworten zu finden, die dann oft nicht zu denen der anderen Beteiligten passen.

Um Licht in dieses Dunkel zu bringen, werden seit einigen Jahren am Lehrstuhl PSA empirische Untersuchungen hinsichtlich der Bedeutung von Architekturen, Technologien, Methoden und Wissen für den Unternehmenserfolg umgesetzt. In der aktuell letzten Studie, gemeinsam mit dem SPS Magazin und der Firma Logicals) wurde untersucht, welche Bedeutung unterschiedlicher grundlegender Entscheidungen zur Systemarchitektur für künftige Automatisierungssysteme besitzen, wie sich unterschiedliche Kommunikationstechnologien hier einordnen, welche Auswirkungen der neuen Automatisierungsstrategien auf die verschiedenen Phasen des Anlagenlebenszyklus haben werden, was das in Zukunft für die Effizienz des Engineerings von Automatisierungssystemen und den ökonomischen Betrieb der gesteuerten Produktionssysteme bedeuten wird, und welche Bedeutung Fachkompetenzen für die effektive und effiziente Umsetzung der neuen Automatisierungsarchitekturen haben werden.

Im Ergebnis der Studie, die auch auf der EKA 2022 - Entwurf komplexer Automatisierungssystemeveröffentlicht werden, konnten Handlungsempfehlungen Toolhersteller und Systemintegratoren auf der einen und Endnutzer auf der anderen Seite gewonnen werden.

Für Toolhersteller und Systemintegratoren konnte festgestellt werden, dass zukünftige Automatisierungsarchitektur von Produktions- und damit Automationssystemen auf Modulen basieren werden, die Funktionen im Produktionssystem übernehmen, dafür notwendige Technologen und die dabei relevanten Sicherheitseigenschaften kapseln und die vertikal und horizontal integriert werden müssen. Die Entwurfsprozesse der Systemintegratoren sowie die in ihnen verwendeten Werkzeuge der Toolhersteller müssen diese Architekturen unterstützen. Kurzfristig sollten hier Vorgehensweisen und Fähigkeiten zur Erstellung, Verwaltung und Wiederverwendung durch manuelle Integration verfügbar sein. Mittelfristig sollten dies Funktionen die Idee der digitalen Repräsentation bzw. digitalen Schattens nutzen. Langfristig werden Funktionen zur semiautomatischen Orchestrierung notwendig sein, die dann auch modulübergreifende Fragestellungen wie kollaborative Funktionen und modulübergreifende Sicherheitsprobleme adressieren. Um hier bestehen zu können, muss der Blick verstärkt auf das Wissensgebiet des Systems Engineering gerichtet werden.

Darüber hinaus müssen Toolhersteller und Systemintegratoren die Effektivität und Effizienz von Engineeringprozessen verstärkt in den Blick nehmen. Hier sind kurzfristig Themenstellungen wie die datentechnische Durchgängigkeit von Werkzeugketten und die Integration von modellbasierten Methoden zur automatischen Generierung von Entwurfsartefakten relevant. Langfristig kann die Zusammenarbeit in Engineeringorganisationen über die Cloud nutzbar gemacht werden. Hier stehen dann Themen wie cloudbasierte Werkzeuge und cloudbasierte Kollaborationsplattformen an.

Endnutzer sollten die, für die Toolhersteller und Systemintegratoren relevanten, Entwicklungspfade für sich kritisch bewerten. Für sie ergibt sich die Möglichkeit, die Idee der digitalen Repräsentation bzw. des digitalen Schattens auf Basis von funktional modularen Produktionssystemen verstärkt zur Realisierung von Systemflexibilitäten zu erschließen. Dies setzt jedoch eine unternehmensübergreifende Standardisierung von Strukturen, Methoden und Beschreibungsmitteln, aber auch eine verstärkte Integration entsprechender Kenntnisse des modellbasierten Systems Engineerings in den Unternehmen voraus.

Alle Unternehmen sollten die bei ihnen verfügbaren Kompetenzen hinterfragen und ggf. notwendige Kompetenzen durch Personalakquise und/oder Weiterbildungsangebote erweitern. Das wiederum bedeutet für uns als Universität, dass wir die Ausbildung in Richtung Systems Engineering umgehend ausweiten sollten.

wie weiter mit automation

Die in unseren empirischen Arbeiten gewonnen Erkenntnisse sowie unsere Erfahrungen in Forschungsprojekten setzen wir natürlich auch dafür ein, Unternehmen mit Blick auf ihre Unternehmensstrategien zu beraten. Ein schönes Beispiel ist hier die STIWA group. Auf Basis langjähriger Kooperationen im Rahmen eines Österreichischen Forschungsvorhabens entwickeln wir hier gemeinsam die nächste Generation der Entwurfswerkzeuge für dieses im Bereich der Montagesysteme tätige Unternehmen und fokussieren dabei natürlich die Möglichkeiten (z.B. Datendurchgängigkeit und mechatronischer Entwurf) und Risiken (z.B. Data Security) der wachsenden Digitalisierung.

Ansprechpartner: Prof. Dr.-Ing. habil. Arndt Lüder

 

Letzte Änderung: 09.06.2022 - Ansprechpartner: Webmaster